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Familie Frauenheld20min.ch
Vergleiche mit seinem Vater Julio hört Enrique Iglesias nicht gerne - wie jeder Sohn. Trotzdem führt er die Familientradition fort, einfach unter leicht veränderten Vorzeichen.
Am Anfang stand Julio Iglesias Puga, Gynäkologe, befreundet mit der Familie des spanischen Diktators Franco. Julio senior machte früh Karriere als einer der jüngsten Frauenärzte Spaniens und Mitbegründer der Madrider Frauenklinik. In Erinnerung blieb er allerdings als grosser Schürzenjäger. Seine letzte Frau lernte er kennen, als sie 24 und er 72 Jahre alt war. Der Altersunterschied blieb nicht ganz ohne Folgen – seine beiden jüngsten Kinder wurden künstlich gezeugt.
Beide wurden so zu über 60 Jahre jüngeren Halbgeschwistern von Julio Iglesias junior, Spaniens berühmtestem Schnulzensänger, seinerseits ebenfalls ein grosser Womanizer. Die mystische Zahl von 3000 Gespielinnen hält sich hartnäckig, womit Julio junior Julio senior ausgestochen haben dürfte. Ein «Erbe», das Enrique nicht mal versuchsweise angetreten hat. Er arbeitet sich wohl an einer anderen Zahl ab. 250 Millionen Alben soll Julio Iglesias verkauft haben. Enrique ist – trotz illegaler Downloads – bereits bei 30 Millionen angelangt.
Offiziell ist das Verhältnis zwischen den beiden gut. Julio junior bedauert es zwar, früher zu wenig Zeit mit seinen Kindern verbracht zu haben, von Enrique ist dazu allerdings kein Kommentar zu finden. Dafür hat er schon von den kleinen Wettbewerben erzählt, die er mit seinem Vater laufen hat. Zum Beispiel, wer gerade mehr Platten verkauft (Enrique liegt aktuell vorn), wer einen Grammy gewinnt (beide, obwohl Julio überzeugt war, der Sohnemann würde keinen erhalten) und wer der beliebteste Latinosänger sei (salomonisches Urteil: Julio gehört das 20. Jahrhundert, Enrique das 21.).
Die einzige Frau, die es in diesem Clan noch zu Bedeutung brachte, ist Enriques Mutter Isabel Preysler, ein ehemaliges Supermodel. Die Tochter eines philippinischen Diplomaten machte nach der Scheidung von Julio junior Karriere als Klatschjournalistin und glamouröse Society-Dame. Sie trug entscheidend zum Umstand mit bei, dass der Clan der Iglesias in Spanien fast so viel Beachtung findet wie das Königshaus.
Und klar, dann ist da noch Anna Kournikova, das Tennissternchen, das schon lange kein Tennis mehr spielt und stattdessen ihre körperlichen Vorzüge im Werbemarkt einsetzt. Sie ist die Dauerfreundin von Enrique und führt ganz offensichtlich ein eigenes Leben. So haben sich die Zeiten geändert. Im Übrigen weiss Enrique, wie sinnlos der Versuch wäre, die 3000 Partnerinnen des Vaters zu toppen, ohne als komplette Karikatur zu enden. Ausserdem gibt es heute Aids. Damit musste sich Julio in seiner aktivsten Zeit noch nicht herumschlagen.
Abgesehen von solch kleinen Modernisierungen tritt Enrique in die Fussstapfen des Vaters. Beide bedienen mit speziellen Aktionen den asiatischen Markt, beide nehmen ihre Alben mehrsprachig auf (Julio hat schon in 14 Sprachen geknödelt, Enrique bleibt lieber bei verwandten Idiomen wie Italienisch und Portugiesisch) und beide rackern sich mit hoher Kadenz ab. Enrique beispielsweise veröffentlichte sieben Alben in neun Jahren. Das mag nach wenig klingen im Vergleich zu den Siebzigern, als man pro Jahr ein bis zwei Alben auf den Markt werfen konnte. Bei der heutigen Promomaschine, die weltweit angekurbelt wird, rechnet man allerdings durchschnittlich mit zwei Jahren Aufwand pro Album und alles was darunter liegt, ist Stress, Stress, Stress. Erst recht, wenn dann noch so Schmankerln eingeschoben werden wie das erste Konzert in Syrien seit 30 Jahren – was auf die Kappe von Enrique geht. Dafür kann er sich in den Charts halten, während Konkurrenten wie Ricky Martin herbe Popularitätsverluste verdauen müssen. Solche Dämpfer konnte Iglesias bisher umgehen, indem er sich bewusst international gibt und die Latino-Schublade nur sanft bedient. Sein aktuelles Album «Insomniac» wurde von Topcracks mitgestaltet, also von Produzenten, die schon zu den Erfolgen von Britney Spears, den Backstreet Boys und Robbie Williams beitrugen. Da ist dann vom Latino oft nicht mehr viel anderes übrig als ein paar Phrasen auf Spanisch. Iglesias mag nicht ewig den Salsa-Kaspar mimen.
Dafür gibt er gerne den modernen Bänkelsänger der Liebe. Wie Vater Julio kennt Enrique kaum ein anderes Thema als das Zwischenmenschliche. Der Papa schmachtete von «Gwendoline», der Sohn singt von «Sweet Isabel». Er tut es bloss mit viel weniger Schmalz in der Stimme als Julio, der heutigen Geschmäckern deutlich zu ölig klingt. Enrique ist im Vergleich dazu der reinste Fitnessteller, selbst wenn er auf Spanisch jeweils deutlich mehr Schmalz aufträgt.
Bleibt sich also alles gleich im Haus Iglesias? Nicht ganz. Er wäre sicher ein guter Vater, erklärte Enrique einem Interviewer. Vielleicht mit ein Grund, weshalb er noch keine Kinder hat. Bei seinem Arbeitspensum wäre Enrique mindestens so abwesend wie damals Julio. Noch ein Punkt, in dem er seinen Vater locker übertreffen kann. Auch wenn er es nicht zugibt: Diese Chance lässt er sich kaum entgehen.