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Enrique Iglesias sang mit Sabine
Quelle: Westfälische Nachrichten
Ein schöner Mann
Eng die braune Lederhose, enger noch das weisse T-Shirt - Enrique Iglesias steht zu Beginn seines Konzerts regungslos vor einem Hallenstadion voller Frauen. Langsam hebt er beide Arme seitlich hoch und bewegt dabei nur seine Finger; lockend, provozierend, lässig - und das Publikum ist hin und weg.
Seine Musik ist von jener sanften Leere, die niemanden stört. Seine Lieder sind jene, die alle kennen, ohne zu wissen, von wem sie sind - weil sie, auch wenn sie laut aufgedreht den Raum beschallen, so seicht sind, dass sie ganz einfach vergessen gehen. Umso sehenswerter ist Enrique Iglesias' Konzert. Der amerikanische Star spanischer Herkunft bietet eine betont schlichte, stilvolle Bühnenshow, mit wenig Licht, effektvoll eingesetzten Video-Nahaufnahmen und einer von kaum einem Wort unterbrochenen Aneinanderreihung seiner Hits, die auch in ihrer Live-Interpretation in keiner Weise von den CD-Versionen abweichen - und die Zuschauerinnen in ihren tief sitzenden Jeans und glänzenden T-Shirts wiegen begeistert die Hüften im Takt.
Sie sollen bekommen, was sie wollen, scheint sich Enrique zu sagen, der mit seiner Band eine Mischung zwischen Schmuse- und Latin-Pop präsentiert und sich als schöner Mann zeigt, der die erotische Inszenierung beherrscht. Jede Handbewegung, jeder Hüftschwung ist eindeutig einstudiert - und doch funktioniert die erotische Verzauberung: weil Enrique Tanzmusik macht, sich selbst aber nur ganz selten zu einer Tanzbewegung hinreissen lässt, was die Wirkung steigert. Weil er fast nie lächelt, wenn aber, dann unwiderstehlich. Weil er sich unnahbar gibt und gleichzeitig durch erstaunliche Zugänglichkeit überrascht. Und weil er, tatsächlich, eine gehörige Portion Selbstironie zeigt.
Enrique Iglesias singt sich mit samtiger Stimme, die auch mal heult, flüstert oder brummt, meist im Playback durch «Making Love For Fun», «Bailamos», «Escape» und «One Night Stand» und durch dreizehn weitere Hits. Er präsentiert sich in einem Acoustic-Set romantisch, gibt ein fetziges «Rhythm Divine» und ein eindeutig zweideutiges «Could I Have This Kiss Forever», in dem er sich zusammen mit seiner Background-Sängerin in Liebesposen übt.
Noch dreister gibt sich Enrique Iglesias in den drei Zugaben. «Who is over eighteen?», fragt er und holt sich eine Frau auf die Bühne. «Bist du verheiratet?», fragt er. «Nein», sagt sie. «Willst du vier Minuten mit mir verheiratet sein?», fragt er. «Ja», haucht sie. Was dann folgt, lässt das Publikum erst kreischen, dann schreien und schliesslich für einen Augenblick verstummen: Enrique singt «Hero», seinen grössten Hit, während er die Frau umarmt, ihr Gesicht in seine Hände nimmt und schliesslich ihre Hände auf seinen Hintern legt. «You can take my breath away», singt er. Das Publikum erbebt. Bei Enrique Iglesias geht es nur um das eine - gut an seiner Musik ist, dass sie dabei nicht stört.
Zürich, Hallenstadion, 26. Mai.
Quelle: nzz.ch